Diesmal geht es um mehr als nur Geschwindigkeit in der Software-Entwicklung. In den letzten Jahren werden vermehrt Patentrezepte großer Beratungsfirmen bedingungslos und flächendeckend im deutschen Handel umgesetzt. Auffällig ist, dass sowohl Vokabular als auch Lösungsszenario zwischen den großen Beratungshäusern nahezu identisch sind. Anscheinend wird jeweils eine Idee/Wahrheit schlicht und mehrfach und von allen Wirtschaftsberatern verkauft.
Ein aktuelles Beispiel ist die derzeitige Krise bei großen Textilmarken wie Gerry Weber, Tom Tailor, Esprit oder Strenesse, die in wirtschaftlicher Schieflage sind, oder bereits Insolvenz anmelden mussten. Alle Anbieter folgten einer Beratungsvorgabe, nämlich der Vertikalisierung durch eigene Stores um jeden Preis. Die Wirtschaftsberatungen gaben vor 15 Jahren die Parole aus, eigene Standorte in möglichst exklusiven, sprich teuren Lagen zu eröffnen. Die daraus resultierenden überteuerten Mieten und langfristigen Verträge, sowie die alleinige Fokussierung auf diese eine vorgegebene Strategie, sind eine Ursache für viele der aktuellen Insolvenzen.
Nach diesem Beispiel betrachten wir die Empfehlungen zur Softwarelieferung und IT-Organisation, abgegeben von den gleichen Beratungshäusern (Marktanteil in 2017: 48%). Vor etwa 15 Jahren wurde dem deutschen Handel geraten, nur noch auf Standardsoftware großer Anbieter zu setzen, um damit die Prozesse effizienter zu machen. Kein Wunder, dass man sich dann nicht mehr vom Wettbewerb abheben kann: Wenn Warenangebot und Preis in Zeiten des Online-Shoppings nicht mehr als Differenzierungsmerkmale zur Verfügung stehen, bliebe fast nur noch der Service. Da nun alle die gleichen Systeme einsetzten, wurde das Service-Angebot beliebig und austauschbar.
Vor wenigen Jahren folgte genau die gegenteilige Empfehlung, weg vom vergleichbaren Standard, hin zu differenzierenden Angeboten. Aktuell im Angebot ist die “alternativlose” Empfehlung, die IT Abteilungen vollständig hin zu DevOps zu transformieren, Micro-Services zu etablieren und knappe IT-Fachkräfte durch “New Work” zu gewinnen.
Unser Appell an Sie als reflektierte Leser ist es, immer dann vorsichtig zu werden, wenn Sie Konzepte erhalten, die
Auch wenn alle das Gleiche tun, muss es nicht immer das Beste sein. Viele Entwicklungen sind definitiv sinnvoll, aber nie mit dem Anspruch, das Allheilmittel zu sein. Für nachhaltige Beschleunigung reichen einzelne Vorgaben nicht aus, es braucht viele aufeinander abgestimmte Schritte.
Lassen Sie sich also befähigen, die angebotenen Patentrezepte zu bewerten – Ihre Begabung zum selbstständigen und kritischen Denken ist und bleibt gefragt.
Christoph Lefkes