[SL] Warum hohe Auslastung gefährlich ist, kurz erklärt in einer Grafik

Warum soll es schlecht sein, wenn wir eine Ressource oder Abteilung zu 90% oder mehr auslasten? Oder warum sollen wir nicht sogar zu 100% auslasten?

Auslastung ist definiert als Ankunftsrate / Abarbeitungsrate. Wie die durchschnittliche Länge der Warteschlange sich verändert, wenn wir die Auslastung immer weiter steigern, zeigt die folgende Grafik:

Auslastung vs. Länge der Warteschlange

(Fußnote: Wir benutzen die Formel für ein einfaches Standardmodell einer Warteschlange (M/M/1), mit zufällig verteilten Ankunfts- und Bearbeitungszeiten und einem Bearbeiter.)

Bei 80% Auslastung haben wir noch im Durchschnitt 3 (genauer 3,2) Aufgaben in der Warteschlange. Bei 90% sind es schon 8 und bei 95% sogar 18 wartende Aufgaben. Wenn wir mit der Auslastung weiter gegen 100% gehen, geht die Länge der Warteschlange durch die Decke; bei 99% Auslastung sind es 98 Aufgaben. Die dramatische Verlängerung der Wartezeiten widerspricht der Alltags-Intuition.

Wenn man sich diesen Zusammenhang vor Augen hält, wird klar, warum auch “Kleinigkeiten” im Projektalltag manchmal ewig dauern können: sie müssen eine oder mehrere Warteschlangen vor hochgradig ausgelasteten Ressourcen durchlaufen. Der ursprünglich geschätzte Aufwand für die Kleinigkeit ist dann nur ein verschwindend geringer Teil der gesamten Durchlaufzeit, die eben durch Wartezeiten dominiert wird.

Im Buch “Projekt Phoenix” von Gene Kim, Kevin Bahr und George Spafford (unsere Buchempfehlung vom 2.1.) war der Tausendsassa Brent so eine Ressource. Brent wurde für fast alle Aufgaben gebraucht, weil nur er sich gut genug mit den vorhandenen Systemen auskannte (siehe auch Busfaktor 1). Entsprechend ausgelastet (überlastet) war Brent, was zu gefühlt unendlichen Wartezeiten führte – worüber sich seine Manager nicht nur einmal frustriert die Haare rauften.

Ich hoffe, die Grafik überzeugt Sie, keine Auslastung über 80% für Ihre Mitarbeiter oder Ihre Organisation zu planen. Lassen Sie sich auch nicht von Controllern zu einer höheren Plan-Auslastung drängen, denn ungeplante Arbeit oder Unvorhersehbares kommt immer. Denken Sie immer an die Wartezeiten – ein Projekt ist erst dann geliefert, wenn Ihr Kunde das Projektergebnis nutzen kann.

Matthias Berth

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