[SL] Wie ich einmal 100 Euro mit Warten verdiente, oder: Priorisieren nach Verzögerungskosten

Hier standen wir nun in der Schlange am Check-in auf dem Flughafen in Paris und freuten uns auf zu Hause. Da kam eine Angestellte von Air France die Warteschlange entlang und teilte den Passagieren mit, dass der Flug leider überbucht wäre. Das heißt, für den Flug wurden mehr Tickets verkauft, als eigentlich Plätze im Flugzeug sind. Fluggesellschaften steigern so die Auslastung eines Flugzeugs – bei jedem Flug gibt es einen gewissen Anteil an “no shows”, d.h. Passagiere, die nicht erscheinen. Die so frei werdenden Plätze gleichen dann die Überbuchung aus, so dass alle mitfliegen können.

Nur leider nicht in unserem Fall; es standen mehr Leute in der Schlange als Plätze im Flugzeug waren. Die Airlines haben da eine bewährte Lösung: sie bieten Geld dafür, dass man freiwillig nicht mitfliegt. Wir haben die angebotenen 100 Euro pro Person genommen und dann eben zwei Stunden auf den nächsten Flug gewartet.

Mit anderen Worten: uns war zwei Stunden später zu Hause sein weniger wert als 100 Euro. Das galt sicher nicht für alle in der Schlange, wer z.B. einen wichtigen Termin verpasst, würde zum Ausgleich wesentlich mehr Geld verlangen.

Die Fluggesellschaft hat also clevererweise diejenigen herausgefiltert, deren Verzögerungskosten unter 50 Euro pro Stunde lagen. Wie hätten Alternativen ausgesehen? “Den letzten beißen die Hunde”, also alle nicht mitfliegen lassen, die zu weit hinten in der Schlange stehen? Damit handelt man sich unzufriedene Passagiere ein. Einem bestimmten Passagier Geld bieten und den Betrag immer weiter erhöhen, bis er schließlich auf den Flug verzichtet? Das kann teuer werden.

So hat die Fluggesellschaft die Verzögerungskosten global minimiert: Nur Passagiere, die mit 100 Euro zufrieden sind, fliegen nicht mit und finden das auch ganz in Ordnung.

Priorisieren nach Verzögerungskosten ist übrigens Punkt 2 in unserem Flow Check. Die Flughafengeschichte hat eine Entsprechung im Projektgeschäft: An einem Engpass sollten Sie Projekte mit geringeren Verzögerungskosten warten lassen.

Matthias Berth

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