Verzögerungskosten (Cost of Delay) für Projekte und einzelne Features sind ein wichtiges Mittel, um Prioritäten richtig zu setzen. Zur Bestimmung von Verzögerungskosten stellt man sich die Frage:

Wie ändert sich das finanzielle Ergebnis über die gesamte Lebensdauer, wenn wir die Aufgabe oder das Projekt später fertigstellen?

Cost of Delay übersetzt damit den alten Spruch “Zeit ist Geld” in ein wirtschaftliches Entscheidungskriterium: wieviel Zeit (spätere Fertigstellung) kostet wieviel Geld?

Wenn Sie also z.B. ein Projekt zu Retourenabwicklung machen, das 120.000 Euro pro Jahr an Kosten einsparen soll, dann hat dieses Projekt 10.000 Euro pro Monat Verzögerungskosten. Wenn Sie eine neue Zahlungsart anbieten wollen und sich davon 1% mehr Gewinn versprechen, dann sind diese 1% des Gewinns, umgerechnet auf einen Monat, die Verzögerungskosten. Die Verzögerungskosten werden in Euro pro Zeiteinheit angegeben, meist Euro pro Woche oder Euro pro Monat.

Der erste Nutzen dieses Konzepts besteht schon darin, dass man sich überhaupt daran macht, die Verzögerungskosten zu bestimmen. Don Reinertsen berichtet aus langjähriger Erfahrung, dass sich die intuitiven Einschätzungen einzelner Teammitglieder regelmäßig um den Faktor 50 unterscheiden. Alltägliche Prioritätsentscheidungen werden also von verschiedenen Leuten auf Grundlage von sehr unterschiedlichen (leider oft falschen) Kosteneinschätzungen getroffen. Nach einer kurzen Einführung in die Methode kann man die Unsicherheitsspanne auf einen Faktor zwei reduzieren.

Das klingt zwar immer noch ungenau, reicht aber für wesentlich bessere Prioritätsentscheidungen. Die Verzögerungskosten einzelner Projekte bzw. Features unterscheiden sich nämlich oft um erheblich mehr als einen Faktor zwei. Wenn Sie also abwägen müssen zwischen Projekt A mit geschätzten 5.000 Euro pro Monat Verzögerungskosten und Projekt B mit geschätzten 30.000 Euro pro Monat, spielt es keine große Rolle, dass beide Schätzungen mit Unsicherheit behaftet sind.

Matthias Berth