Von Alan Kay gibt es keine Bücher und nur eine Handvoll Artikel. Seine Ideen bzw. Visionen sieht man in Software: Seine Dynabook-Vision von 1968 führte zum iPad (was nur einen Teil der Vision verwirklicht). Das Smalltalk-System aus den frühen 70er Jahren beim Xerox PARC (Palo Alto Research Center) führte zu grafischen Benutzeroberflächen via Mac, Windows usw. (wieder nur eine teilweise Umsetzung). Dieser Mensch versteht also etwas von Innovation und Erfindung. Sein wohl bekanntester Ausspruch: “The best way to predict the future is to invent it!”

Ich nehme an, Kay schreibt keine Bücher, weil Buchdruck das alte Medium ist, das unsere Ära geprägt hat. Der Computer ist ein neues Medium, und Alan Kay hat sich jahrzehntelang mit der Frage beschäftigt: Wie sehen die Umwälzungen aus, die dieses neue Medium bewirken kann, analog zu den fundamentalen Veränderungen, die durch den Buchdruck angestoßen wurden (Naturwissenschaften, Aufklärung, Demokratie,…)? Und wie kann man diese Umwälzungen auf den Weg bringen?

Glücklicherweise gibt es etliche Vorträge von Alan Kay im Netz, einen empfehlen wir heute:

Alan Kay, Founder School Session: The Future Doesn’t Have to Be Incremental
https://www.youtube.com/watch?v=gTAghAJcO1o (44min)
Aha: 5/5 Haha: 3/5 Wow: 5/5

In diesem Vortrag geht es um Invention, d.h. die Erfindung von etwas ganz Neuem und Innovation, d.h. die inkrementelle Arbeit, die für das Kommerzialisieren und Nutzbarmachen von Erfindungen nötig ist. Innovation ist viel Arbeit und bringt Milliardengewinne. Invention ist richtig schwierig und schafft Tausende von Milliarden an Wert (wenn wir z.B. an personal computing oder das Internet denken). Innovation ist Apple, Invention war das Xerox PARC.

Für Invention muss man sich von den Beschränkungen der Gegenwart frei machen (können). Kay sagt sinngemäß: Nur wenige (1% der Bevölkerung) sind dafür passend ausgestattet. D.h. sie sind mental hinreichend unabhängig von externer Bestätigung (die ja immer den Status quo bestärkt) und gleichzeitig interessiert an Ideen, auch wenn sie nicht aktuell bei der Erreichung eines kurzfristigen Ziels helfen.

Zitat:

Those 1% […] in some eras they get burned at the stake. In some eras they get rejected. In the sixties, they got funded.

Diesem Funding der 60er Jahre verdanken wir Dinge wie das Internet, Personal Computing und grafische Benutzeroberflächen.

Vorträge von Alan Kay sind für mich im besten Fall eine Erweiterung des Horizonts. Manchmal braucht es auch mehrere Anläufe bzw. Vorträge, bevor man diese oder jene Idee völlig assimiliert hat. Noch ein Zitat gefällig?

One of the amusing things in the 80s was all the object-oriented languages that suddenly appeared. None of which were actually object oriented by my estimation. And I was the person who made up that term.

Viel Spaß beim Zuhören!

Matthias Berth