Bei Amazon gibt es unter den Top 50 Bestsellern in der Rubrik Militärische Strategie acht verschiedene Ausgaben von “Die Kunst des Krieges” (The Art of War), einem ca. 2500 Jahre alten Buch des chinesischen Militärstrategen und Philosophen Sunzi (Sun Tzu). Von Einigen wird John Boyd als der bedeutendste militärische Theoretiker seit Sunzi angesehen. Unsere heutige Buchempfehlung ist eine Biografie von John Boyd, sie steht auf Platz 25 der Bestsellerliste:

Robert Coram: Boyd, The Fighter Pilot Who Changed the Art of War (2004, 504 Seiten)
Aha: 4/5 Haha: 4/5 Wow: 5/5

Beweglichkeit ist eine der Eigenschaften, die Sunzi besonders betont. Von Boyd stammt das Konzept der OODA Loop (observe, orient, decide, act). Entwickelt wurde es im Kontext des Luftkampfes: ein wiederholter Zyklus von Beobachtung des Gegners, Einordnung der Beobachtungen in ein Gesamtbild, Entscheidung und Handlung. Vereinfacht gesagt: Wer diese Zyklen schneller durchlaufen kann als sein Konkurrent, hat einen oft entscheidenden Vorteil in jeder Art von Konflikt, ob militärisch oder wirtschaftlich. Sie erkennen sicher die Parallele zur allseits gewünschten Agilität im Business.

Zitate:

“[The] message is that whoever can handle the quickest rate of change is the one who survives.” “The most amazing aspect of the OODA Loop is that the losing side rarely understands what happened.”

Dabei geht es auch darum, selbst Veränderungen zu erzeugen, mit denen das Gegenüber nicht mithalten kann. Die Fähigkeit, schneller von einem Manöver zu einem anderen umzuschalten, ist dafür entscheidend und steht als “Maneuver Warfare” (Bewegungskrieg) im Gegensatz zum Muster der Materialschlachten bzw. des Stellungskrieges.

Auch Boyd hat keine Bücher geschrieben (abgesehen vielleicht von einem maschinegeschriebenen Handbuch über Luftkampfmanöver). Sein Medium war das militärische Briefing, ein mündlicher Vortrag mit Folien, gefolgt von Fragen und Antworten. Boyd hat seine Briefings hunderte Male bis in die höchsten Ebenen des Pentagons hinein gehalten und sie im Laufe der Jahre ständig weiterentwickelt. Die Folien findet man im Internet, leider sind sie ohne den begleitenden Kommentar nur schwer zu verstehen.

Das Buch ist eine spannende Biografie, die neben der OODA Loop viele faszinierende Aspekte beleuchtet:

• Wie Boyd als Ausbilder bei der Air Force als “40 seconds Boyd” berühmt wurde, weil er sich innerhalb von 40 Sekunden in die überlegene Position hinter dem Gegner bringen konnte.
• Die Entwicklung der Energy-Maneuverability Theory, mit der er physikalische Grundlagen für Entwurf und Bewertung von Kampfflugzeugen entwickelte. Die Strategen der Air Force erlebten eine böse Überraschung, als sie einsehen mussten, dass ihre Flugzeuge in weiten Bereichen schlechter abschnitten als die sowjetischen.
• Der Kampf um die Beschaffung von billigeren und einfacheren (statt immer teureren und komplexeren) Kampfflugzeugen, den Boyd mit einer kleine Gruppe von Offizieren vorangetrieben hatte, die als “Fighter Mafia” bekannt wurde.
• Konflikte mit einer der größten Bürokratien der Welt, dem Pentagon. Zitat: “There are only so many ulcers in the world and it is your job to see that other people get them.” Boyd und seine Mitstreiter haben Material zur Aufdeckung einiger der großen Skandale bei der Beschaffung von Waffensystemen geliefert.
• Der Beitrag von Boyds Ideen zum “Maneuver Warfare” (militärische Agilität, wenn man so will) im ersten Golfkrieg und für die Taktik der US Marines

Nochmal der Link zum Buch auf Amazon.

Videos:

• Chet Richards - On OODA Loops, Adaptability & John Boyd (9min)
• 40 Seconds Boyd (2:40)
• ein längeres Interview mit dem Autor (59min)

Matthias Berth