Wir kennen alle das Lob auf und die Effizienz von kleinen autonomen Teams. Gelten agilen Vorgehensmodelle doch als ideale Organisationsform in der Softwareentwicklung. Gerade Scrum funktioniert besonders gut in Umfeld eines Produkts mit einem Team. Im Portfolio-Kontext geht es aber um viele Programme, Projekte, Produkte, Teams und Wertschöpfungsketten (Value Streams). Es gibt konträre Interessen, formelle, informelle und politische Kommunikationswege sowie Entscheider mit sehr wechselhaften Ansichten.
Die Projekt-Portfolio-Steuerung muss in dieser Gemengelage allen Kräften Herr werden und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten. Voraussetzung ist, dass das Interesse des Unternehmens über den Einzelinteressen steht.
Quelle: Windell Oskay
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Lassen sich Ansätze der agilen Vorgehensmodelle auch im Projektportfolio-Management anwenden? Stehen Prinzipien der Agilität im Widerspruch zu einer herkömmlich eher langfristig angelegten Projektportfolio-Steuerung? Welche Rahmenbedingungen benötigt die Skalierung von agilen Werten innerhalb eines Unternehmens?
Als Ausgangspunkt dient die Prämisse, dass alle Projekte eine übergeordnete Perspektive benötigen. Das Projektportfolio-Management bündelt und steuert zielorientiert alle Programme und Projekte. Zu den primären Aufgaben zählen:
Strategien zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens verstehen und umsetzen
Wertschöpfung durch die Lieferung von Kundennutzen stiften
Ausbalancieren knapper Ressourcen und Abhängigkeiten
Risiken und Vorgaben aus übergeordneter Sicht managen
Informationsaustausch und persönliche Kommunikation auf allen Ebenen
Entscheidungs-Prozesse aktiv zu unterstützen
Wissen sammeln, aufbereiten und nachnutzbar machen
Die nachstehenden agilen Prinzipien lassen sich auch auf die Ebene der Projektportfolio-Steuerung skalieren, wenn als Rahmenbedingung die Unternehmensführung diese ernsthaft akzeptiert und etabliert:
Verteiltes Wissen und cross-funktionale Teams. Die einzelnen Feature-Teams - idealerweise nach Wertschöpfungsketten (Value Streams) aufgeteilt - können möglichst unabhängig voneinander arbeiten. Dazu besitzen sie alle Fähigkeiten und Ressourcen, um ihr Produkt zu erstellen, bei gleichzeitig durchgängig verteiltem Wissens-Stand.
Lieferbare Programm-Inkremente (PI). Mit jedem Release liefern die Teams ein Produkt-Inkrement, welches praxistauglich und voll integriert ist. Wir geben an dieser Stelle die Anregung, dass Vorstellungen von Projekten oder Inkrementen sich gut in Form von übergreifenden Pecha-Kuchas durchführen lassen.
Flow und Rhythmus. Continuous-Integration, -Delivery und -Deployment gepaart mit einem hohen Grad an (Test-)Automatisierung erleichtern eine gleichmäßige, kontinuierliche Taktung und durchgängige Abarbeitung. Dabei werden Engpässe bzw. Schwachstellen in der gesamten Wertschöpfungskette identifiziert, berücksichtig oder beseitigt.
Auslastung und WIP-Limit (Work-in-Progress). Warteschlagen entstehen durch ungehinderten Zulauf, ohne Berücksichtigung der möglichen Abarbeitung. Das Unternehmens-Portfolio limitiert die Menge parallel bearbeiteter Projekte und fokussiert die Organisation auf die priorisierten Themen mit Wertschöpfung.
Globale Optimierung und Transparenz. Alle Beteiligten arbeiten gemeinsam an der globalen Optimierung der Produkte und der Wertschöpfungskette. Sie haben Zugriff auf alle Informationen, die sie benötigen, um sinnvolle Entscheidungen zur Optimierung der Gesamtsituation zu treffen.
Kontinuierliche Verbesserung auf Produkt- und Prozess-Ebene. Die häufige Inspektion des Gesamtproduktes und die Anpassung der weiteren Planungsperioden muss auch in skalierten Umgebungen gewährleistet sein. Kontinuierliche Verbesserungen sind fester Bestandteil aller Prozesse.
Geeignete Software-Architekturen und Konventionen. Modularisierung ist auch auf der Ebene der gesamten IT-Systemlandschaft wichtig, weil sie hilft, Komplexität zu beherrschen. Durch eine passende modulare Software-Architektur, übergreifende Code-Konventionen und Entwicklungsrichtlinien können Abhängigkeiten zwischen Teams minimiert werden. Dann fällt es Teams leichter, sich selbstorganisiert untereinander zu koordinieren.
Keines der vorgenannten Prinzipien lässt sich nur auf kurze Entwicklungszyklen reduzieren. Damit lassen sie sich auch in der Umsetzung des Projekt-Portfolio-Managements nutzbringend einsetzen. Im Umkehrschluss setzen wir in unseren Engagements auf ein Portfoliomanagement, dass sich auch innerhalb der Jahresplanung auf Quartalszyklen einlässt. Diese Taktung gewährleistet neben messbaren Planungshorizonten auch die kontinuierliche Anpassung der laufenden und geplanten Aktivitäten, einfach gesprochen die Option handlungsfähig zu sein!
Nur die Umsetzung einer durchgriffsstarken Projekt-Portfolio-Steuerung im Zusammenspiel mit agilen Prinzipien führt zur notwendigen Ausrichtung auf die relevanten Unternehmensziele. Erst in diesem Zusammenspiel können die Kräfte im Unternehmen gebündelt und damit wertschöpfend eingesetzt werden.
Christoph Lefkes