Ich lese gerade fünf Bücher gleichzeitig. Das heißt, eigentlich lese ich sie gar nicht gleichzeitig, ich habe sie nur angefangen.
Das fünfte Buch (Measures of Success) ist diese Woche neu hinzugekommen. Was meinen Sie, werde ich eines der anderen vier Bücher eher fertig haben, jetzt wo noch eins hinzugekommen ist? Werde ich zu einem schnelleren Leser, wenn ich fünf Bücher parallel lese?
Ich habe es neulich wieder bei einem Kunden erlebt: es gibt soviele parallel laufende große und kleine Projekte, Vorhaben, Daueraufgaben, dass immer wieder etwas liegen bleibt, was man sich eigentlich für diesen Monat fest vorgenommen hatte.
Unsere Empfehlung lautet natürlich: die Zahl der parallelen Aktivitäten begrenzen, das verringert WIP und Unterbrechungen, und damit die Durchlaufzeiten und Verzögerungskosten.
Alles einleuchtend, oder? (Falls nicht, wir hätten da einen Workshop im Angebot :))
Also, auf welche Themen sollen wir uns denn im kommenden Monat beschränken?
Bei größeren Projekten kann man Verzögerungskosten bestimmen, die verbleibende Laufzeit schätzen und dann rational priorisieren. Im Alltag sieht es allerdings eher so aus: wir erfassen die nächsten Aufgaben auf einem Flipchart. Dazu kommen noch die Dinge aus dem vorigen Monat, die bisher nicht erledigt sind. Leider reicht ein einziges Flipchart nicht, die in Frage kommenden Aufgaben erstrecken sich schnell über drei oder mehr Blätter.
Nun gut, welche davon müssen wir denn unbedingt im kommenden Monat machen? “Eigentlich alle”. Dann versuchen wir es eben andersherum: Vielleicht können wir uns darauf einigen, einige von diesen Aufgaben in diesem Monat nicht zu machen?
Jetzt wird für jede einzelne Aktivität irgendeinen Grund vorgebracht, warum man gerade sie jetzt nicht unterbrechen kann. Eine Auswahl der Gründe:
Neben den offen gelegten Gründen gibt es auch Unausgesprochenes, zum Beispiel die Angst, dass ein einmal pausiertes Projekt nie wieder gestartet wird. Oder die Abneigung, etwas liegen zu lassen, was gerade sehr viel Spaß macht.
Wenn wir eine Aufgabe pausieren, verursachen wir also zusätzliche Kosten (in Euro, als Motivationsverlust usw.). Wenn wir die Aufgabe komplett abbrechen, war sogar der ganze bisherige Aufwand für die Katz’. Diese Zusatzkosten wollen wir nicht sehenden Auges eingehen.
Sie kommen aber trotzdem auf uns zu, nämlich dann, wenn eine unserer vielen Aufgaben wieder mal liegen geblieben ist, weil wir “diesen Monat nicht dazu gekommen sind”. Das ist wie beim Bücher lesen: einige meiner fünf Bücher werden diesen Monat wohl ungelesen bleiben. Wenn ich diese Bücher wieder anfasse, werde ich vielleicht schon wieder das meiste vergessen haben, wer weiß.
Viel einfacher fällt es, eine neue Aufgabe gar nicht erst anzufangen, nach dem beliebten Slogan:
Stop Starting, Start Finishing
Wenn wir etwas noch nicht angefangen haben, gelten die meisten der obigen Einwände nicht. “Stop Starting, Start Finishing” ist also die günstigere Option, wenn man WIP verringern will.
Bei meinen Büchern ist es ziemlich egal, wenn eines etwas länger liegen bleibt, oder gar nicht zu Ende gelesen wird. Aber ich lese ja meistens nur zum Spaß.
Matthias Berth
PS: Die erwähnten fünf Bücher sind übrigens