[SL] Flow: Nachzügler vermeiden

Wenn es nach mir ginge, würde die selbstgemachte Hagebuttenmarmelade bei uns nie alle werden. Ich mag sie einfach nicht so gern, und solange noch eine andere Sorte (Erdbeer!) da ist, würde ich Hagebutte immer stehen lassen. Zum Glück haben noch andere mitzureden, sonst hätten wir hier eine Sammlung Hagebuttenmarmeladen der Jahrgänge 2014-2018.

Ziel beim Projektmanagement mit Kanban ist, dass die Arbeit möglichst gleichmäßig von links nach rechts fließt, ohne Staus und ohne Nachzügler. Nachzügler sind nicht so gut, weil sie unser Lieferversprechen beeinträchtigen: “Wir können Deinen Wunsch von heute innerhalb von 3 Wochen erfüllen, außer manchmal, da brauchen wir 8 Monate.” Die ideale Verteilung der Durchlaufzeit wäre eben möglichst kurz und mit möglichst geringer Streuung, vor allem kaum Abweichungen nach oben. In der Fertigung nimmt man gern die Regel first come first served (FCFS, auch bekannt als FIFO - first in first out). Das vermeidet Schwankungen in der Durchlaufzeit, einzelne Teile bzw. Aufträge können dann nicht allzu alt werden.

Im Projektmanagement können die Aufgaben sehr unterschiedliche Bearbeitungszeiten und Verzögerungskosten haben, daher ist first come first served nicht die beste Regel, wenn es gilt, die nächste Aktivität auszuwählen. Welche Karten am Kanban-Board als nächstes bearbeitet werden, ist eine taktische Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt. Dann ist es auch in Ordnung, wenn manchmal ältere Karten von neueren überholt werden.

Wenn man aber nicht aufpasst, bildet sich ein Bodensatz von Karten, die nicht vorankommen. Manche sind blockiert, weil man auf externe Zuarbeit warten muss. Manche verlieren einfach immer gegen attraktivere Karten, die die Entwickler vorziehen; ihnen geht es wie der Hagebuttenmarmelade. Das passiert übrigens leicht, wenn man anfängt, Performance mit Kennzahlen wie abgearbeitete Karten pro Woche zu bewerten – die leichteren Karten werden dann bevorzugt, weil’s schneller geht.

Tipp: Blockierte Karten kennzeichnen. Einfach einen roten Punkt auf die Karte kleben, oder in Trello ein Label “Blocked” verwenden, damit die Aufgabe unter Beobachtung bleibt.

Tipp: Das Alter der Karte markieren. Man kann dazu am Ende eine Tages auf jede Karte einen weiteren Punkt malen, dann sieht man immer auf einen Blick, ob eine Karte schon länger unterwegs ist. (Ich weiß leider nicht mehr, von wem ich das gelernt habe.) Für Trello gibt es das Card Aging Power-Up und die Anzeige “Card time in list” innerhalb des Agile Tools Power-Up.

Wenn Nachzügler erstmal sichtbar gemacht werden, ist es leichter gegenzusteuern und damit die Durchlaufzeiten in einem akzeptablen Rahmen zu halten.

Matthias Berth

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