[SL] Die Engpass-Falle

In vielen Firmen gibt es “Kopfmonopole” von einzelnen Mitarbeitern. Kein Projekt kann durchgeführt werden ohne Mitarbeit oder besser den Segen des Mitarbeiters X. Über Jahre hat sich dieser Leistungsträger unersetzlich gemacht und genießt nun Fluch und Segen seiner Sonderstellung.

Erste Frage: Wie kommen eine oder wenige Personen zu einer solchen Sonderstellung?

In der Regel beginnt dies ganz simpel mit Leistungsbereitschaft und der Übernahme von Verantwortung, oft im Unterschied zu Kollegen. Wenn dann mehrere Projekte erfolgreich gelaufen sind – immer mit der tatkräftigen Unterstützung unseres Leistungsträgers – etabliert sich dieser in der Organisation als Experte. Diese Einordnung als Experte ist keine formelle Beförderung, sondern eine Einschätzung der Kollegen und Vorgesetzten. Ist dieser Ruf einmal vorhanden, werden immer mehr Themen direkt mit unserem Leistungsträger besprochen, er wird in schwierige Themen zu allererst eingebunden. In der Folge wächst sein Kompetenzfeld, aber auch seine Belastung.

Zweite Frage: Warum wird der Engpass nicht aufgelöst?

Weil alle Beteiligten in der Organisation den Zustand eines “Kopfmonopols” als bequem empfinden.

Dritte Frage: Wann kippt die Stimmung?

Über kurz oder lang wird die Auslastung des Leistungsträgers so hoch, dass sehr viele Aufgaben nur auf ihn warten müssen (die Wartezeit geht gegen unendlich). Er ist nun nicht mehr nur Engpass, d.h. limitierend für den Durchsatz an Aufgaben, sondern der Grund warum “hier nichts fertig wird”. Entsprechend steigt der Druck. Der Leistungsträger fängt nun aufgrund der immer weiter zunehmenden Arbeitsbelastung an, seine Arbeit zu “optimieren”. Er reduziert die Dokumentation und konzentriert sich auf die Lösungsfindung. Er hört auf, sein Wissen zu teilen, arbeitet keine Kollegen ein, denn wer kann schon mit seinem Wissensmonopol mithalten. Damit gleitet er natürlich immer tiefer in die Unersetzlichkeit ab.

Mit zunehmender Überforderung steigt sein Groll auf die Kollegen, denn keiner hilft ihm, und alle sind aus seiner Sicht unfähig und zu faul. Systemisch hat sich damit der Engpass vollständig etabliert, denn nun sind die Rollen festgelegt.

Die Fachbereiche und Anforderer werden unzufrieden und fordern weitere Leistungsträger an, um zu skalieren, schließlich sind die Durchlaufzeiten ihrer Projekte einzig und allein abhängig vom Engpass. Als Ausrede darf der Engpass aber gerne herhalten, denn er ist die “Bremse”, die die Anforderer am Erfolg hindert. Anforderer können nun nicht mehr an ihrer Leistung gemessen werden und sind damit nicht in der Verantwortung.

Wenn eine Organisation vollends in der Engpass-Falle steckt, denken alle: “Wenn der mal weg ist, bricht hier alles zusammen.” In ihrer Abhängigkeit vom Engpass fühlen sie sich ohnmächtig. Nun soll sich die Unternehmens-Organisation um den Engpass “herum bauen”, damit er bloß nicht gestört wird oder sich anderweitig umsieht.

Und wie kommt man da wieder raus?

Man gerät nicht über Nacht in eine Engpass-Falle. Daher sind schnelle Lösungen auch nicht zu erwarten; vielmehr braucht es Geduld, Verständnis und Hartnäckigkeit einer Führungskraft. Darüber schreibe ich morgen mehr.

Christoph Lefkes

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