Immer wieder werden IT-Großprojekte und deren Charakteristika wie folgt oder ähnlich beschreiben:
Hier könnten natürlich noch weitere Attribute ergänzt werden wie Internationalität, mehrere Standorte, Einbindung verschiedener Dienstleister, unterschiedliche Infrastrukturen, verschiedene Technologien und vieles mehr.
Interessant ist, wie häufig solche Projekte scheitern oder die beschlossenen Projektziele in Form von Endtermin, Budget und Qualität verfehlen. Diese Gefahr ist den Entscheidern natürlich bewusst, und so werden oft externe Dienstleister für Umsetzung und Steuerung angeheuert. Man legt auch starkes Gewicht auf die “richtige” Methodik, standardisiertes Vorgehen und “best practices”, wohinter man sich dann im Falle des Scheiterns gut verstecken kann. “Wir haben alle best practices angewandt und sogar im Vorfeld sorgfältigst die besten Methoden und Tools ausgewählt. An uns kann es also nicht liegen.” (Dann muss es wohl wiedermal das unfähige Fußvolk gewesen sein?)
Wenn wir uns bei IT-Projekten in Schieflage eine erste Orientierung verschaffen, finden wir häufig Statusberichte auf allen Ebenen, versehen mit Ampeln in “grün”, “gelb” und “rot”. Wenn man die Ampelfarben im Zeitverlauf und bei ihrem Weg durch die Führungsebenen verfolgt, kann man schön studieren, wie sich Wunsch und Wirklichkeit immer mehr voneinander entfernen.
Da sind viele Ampeln die ganze Zeit grün (“Alles in Ordnung hier, es gibt nichts zu sehen, gehen Sie weiter”), nur ganz kurz vor Projektende werden sie plötzlich und unerwartet rot. Oder die Ampel für das Teilprojekt A, sollen wir die etwa rot machen, nur weil eine Teilaufgabe im Projekt auf Rot steht? Nee, das wäre zu drastisch, nehmen wir doch lieber gelb. Geht man noch eine Ebene höher, sind die gelben Ampeln wahrscheinlich zu grün aggregiert. Es gilt die Regel: Je höher die Führungsebene, desto grüner wird der Status.
Auch beim Flughafen BER konnte man diese Phänomene beobachten: In einem Prüfbericht, der im Oktober 2011 im Aufsichtsrat diskutiert wurde, standen alle Ampeln auf Gelb oder Grün. Im Text liest man dann neben vielen anderen gravierenden Problemen, dass die Entrauchungsanlage zwölf Wochen hinter dem Zeitplan liegt. Auf der obersten “Führungsebene”, also gegenüber der Öffentlichkeit, wurde immer noch am geplanten Eröffnungstermin 3. Juni 2012 festgehalten. Diese Ampel stand noch lange auf Grün, bis vier Wochen vor dem geplanten Eröffnungstermin. Da teilte der Aufsichtsratschef mit, dass die Eröffnung erneut um neun Monate verschoben wird.
Ampelfarben sind nicht geeignet, um ein realistisches Bild von der Lage eines Projekts zu geben. Vielmehr verleiten sie zu Wunschdenken auf allen Ebenen und zur Vermeidung von Verantwortung. Wir fordern daher, den Ampelstatus im Projektgeschäft komplett abzuschaffen. Lasst die Ampeln im Straßenverkehr; da ist die Bedeutung der Farben klar definiert, und jeder trägt selbst die Verantwortung, wenn er bei Rot weiterfährt.
Statusberichte sollen Zusammenfassungen und Momentaufnahmen sein. Sobald eine Aufgabe blockiert ist, wird eine detaillierte Auseinandersetzung zur Lösungsfindung notwendig. Das bedeutet, eine Projekt- oder Programmleitung muss auf der sachlichen und fachlichen Ebene eingreifen. Erfolgreiche Projekte brauchen auf allen Ebenen Verantwortungsübernahme sowie fachlichen und technischen Sachverstand.
In diesem Sinne, schildern Sie uns doch gerne Ihre Erlebnisse mit Ampeln im Projektgeschäft.
Christoph Lefkes