[SL] Manager als reitende Boten

Es ist schon seltsam, wie in manchen Organisationen kommuniziert wird. Ich meine nicht nur die verbreitete Unsitte, alle und jeden auf CC zu setzen, sondern auch das direkte Filtern von Anfragen durch Manager. Alles muss über die richtigen Kanäle gehen, es wird dreimal weitergereicht, bevor es bearbeitet werden kann. Wenn man sich das Ergebnis ansieht, hat der Manager wenig mehr getan, als Emails mit Verzögerung weiterzuleiten.

In einem Beispiel, an das ich mich recht gut erinnere, hatte ich eine technische Frage zu einem API für Kreditkartenzahlungen. Die Frage stellte ich per Email an den Auftraggeber, der schließlich seinen Zahlungsdienstleister, eine Bank, um Auskunft bitten musste.

Bei der Bank ging die Frage natürlich nicht direkt an einen Entwickler, sondern an einen Manager, der sie seinerseits an einen Entwickler weiterreichte. Das ganze mit dem üblichen Zuwachs an Beteiligten via CC. Ich sehe schon, es ist etwas kompliziert, daher habe ich Ihnen das mal als Übersicht dargestellt:

  1. ich (als Software-Entwickler bei einem Dienstleister)
  2. mein Kontakt beim Auftraggeber. CC: mein Projektmanager
  3. die für Zahlungsabwicklung Zuständige beim Auftraggeber (Management-Ebene). CC: weitere Projektbeteiligte
  4. ihre Kontaktperson bei der Bank (Management-Ebene), d.h. eigentlich ihre Urlaubsvertretung
  5. zwei bis drei Entwickler bei der Bank, die für das API zuständig sind

Das eigentliche Problem wurde nur am Anfang und am Ende dieser Kette verstanden. Da waren wir natürlich froh, dass der Originaltext der Anfrage in der weitergeleiteten Email erhalten blieb. Im direkten Gespräch hätte mir ein Entwickler bei der Bank wahrscheinlich alles innerhalb von 10 Minuten erklären können.

Solche Zwischenstationen und “single points of contact” sind gut gemeint, die Leute sollen ja von unberechtigten Anliegen abgeschirmt werden, oder sie könnten sicherheitsrelevante Details verraten, oder eine bezahlte Leistung kostenlos freischalten. Dennoch: man fragt sich, wie die Manager überhaupt noch etwas zustande bringen, wenn sie ständig kleine Kommunikationspäckchen weiterreichen.

Als Manager sollte man sich überprüfen: welchen Wert hat meine Teilnahme bei diesem Thema? Wie können wir in Zukunft sowas abwickeln, ohne dass ich direkt beteiligt sein muss? Wie können wir trotzdem regulatorische Dummheiten vermeiden, oder nur das versprechen, was wir auch halten können? Am Grunde des Problems liegt eine Vertrauensfrage: trauen wir den MitarbeiterInnen zu, dass sie etwas selbst entscheiden und nötigenfalls die Managementebene mit einbeziehen?

Wir haben dann übrigens nur die zweitbeste Variante für die Zahlungsabwicklung implementiert, mit mehr Entwicklungs-Aufwand und weniger Komfort für die Endkunden. Die beste Variante wurde abgewählt, weil es für den Auftraggeber zu mühsam geworden wäre, die nötigen Zusatzvereinbarungen mit der Bank zustande zu bringen.

Matthias Berth

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