Immer wieder erlebe ich in der Praxis, dass Firmen einen Projektleiter mit einer bestimmten Persönlichkeit und nicht mit relevanten Erfahrungen suchen. Im Wesentlichen wird erwartetet, dass der Projektleiter ein vom Management definiertes Ziel oder Ergebnis bedingungslos exekutiert und wenn erforderlich sogar ein “Gefälligkeitsgutachten” erstellt. Häufig tritt diese Dynamik in Großprojekten auf. Um den Anschein der Objektivität zu wahren und die Verantwortung zu delegieren, ist der Projektleiter idealerweise ein externer Dienstleister.
Das “Gefälligkeitsgutachten” ist die unreflektierte Bestätigung der vorgefassten Meinung des Auftraggebers, denn wer zahlt bestimmt auch die Lösung! Zum Beispiel legt ein Entscheider fest, dass eine bestimmte Standard-Software allumfassend und alternativlos im Unternehmen implementiert werden soll. Dies kann aber in einzelnen Fachdomänen, wie dem Callcenter, dem Unternehmen eher schaden. Denn gerade die im Callcenter vorhandene Software mit ihren kundespezifischen Abläufen ist der Wettbewerbsvorteil dieses Unternehmens. Hier führt nun die Gefälligkeit unseres “Hans im Glück” dazu, dass alle Anregungen der internen und externen Experten ignoriert werden. Der Projektleiter ist aufgrund seiner Persönlichkeit nicht willens, den Sachverhalt mit dem Auftraggeber zu besprechen und eine qualifizierte Lösung zu erarbeiten.
Ausgestattet mit dem Gemüt des “Hans im Glück” hinterfragt der gewählte Kandidat dann im Projektverlauf nicht Ziel und Zweck des Projekts. Er verwaltet in glücklicher Einfalt das Projekt und ignoriert dabei die Hinweise der anderen Projektbeteiligten. Warum auch fachlich und sachlich zuhören, verstehen und anpassen, ist doch der Auftraggeber sowieso anderer, “seiner” Meinung. In frühen Projektphasen wachsen dann Projektschulden an, und die Projektbeteiligten lassen den Anspruch an ein erfolgreiches Gelingen fahren. Wie bei “Hans im Glück” wird aus dem Gold einer tollen Idee zu guter Letzt ein Stein, der für alle Beteiligten nur noch eine Last ist und abgeworfen bzw. abgeschlossen wird. Elan und Geschwindigkeit im Projekt gehen verloren, und auch Ideen zur Verbesserung werden meist nicht mehr eingebracht. Denn wer möchte schon gerne nur an der Passfähigkeit zum Meinungsbild des Auftraggebers gemessen werden und nicht am fachlichen und sachlichen Nutzen.
Am Ende sind sich zwar Auftraggeber und “Hans im Glück” handelseinig, aber der Nutzen für’s Unternehmen ist verloren gegangen. Gerade in diesen Situationen verliert ein Unternehmen nicht nur Geld und Geschwindigkeit, sondern auch die Unterstützung seiner internen Mitarbeiter.
Eines unserer empfohlenen Prinzipien lautet daher befähigen statt bedingungslos zu bestätigen. Statt fertige Lösungen oder Patentrezepte umzusetzen, sehen wir eine unserer ersten Aufgaben darin, gemeinsam mit Mitarbeitern und Entscheidern im Unternehmen eine qualifizierte Analyse und Bewertung der geplanten Projekte und Investitionen zu entwickeln.
Christoph Lefkes